Veröffentlicht:
27. Oktober 2022
Zuletzt aktualisiert:

Von Energie-Monitoring bis Vermarktung von Flexibilität: Anwendungsfälle für Home-Energy-Management-Systeme

Philipp Schockenhoff
Account Executive

So wie sich ein Mobiltelefon für alles Mögliche verwenden lässt, von der SMS bis zur Navigation, so sind auch die Use Cases für Home-Energy-Management-Systeme (HEMS) sehr unterschiedlich: Ein HEMS lässt sich verwenden, um einfach Einblicke in den Stromverbrauch und die Stromerzeugung zu erhalten, oder um die Flexibilität eines Haushalts zu Geld zu machen. In diesem Blogbeitrag befassen wir uns mit den Anwendungsfällen, die zwischen diesen beiden Extremen liegen, welche Umstände sie hervorrufen und wie sie den Verbrauchern zugute kommen.

Ein genauerer Blick auf die regulatorischen und infrastrukturellen Unterschiede zwischen den europäischen Ländern zeigt, dass die hohen Strompreise nur einer von vielen Gründen für ein Energiemanagement im Haushalt sind. Daher möchten wir die häufigsten Anwendungsfälle zusammenfassen und aufzeigen, wie sie den Verbraucher:innen zugute kommen. 

Live View der Stromflüsse

Energie-Monitoring: Die Grundlage eines jeden HEMS

Man kann nur das verbessern, was man weiß und in diesem Fall auch messen kann. Es ist also keine große Überraschung, dass das Energie-Monitoring der Ausgangspunkt für jedes HEMS ist. Durch die Nutzung der Daten von smarten elektrischen Anlagen wie PV-Wechselrichtern, Batterien oder EV-Ladestationen können Anbieter von smarten Energiemanagement-Lösungen die Leistung der Geräte digital steuern. Dies öffnet die Tür zu einer ganzen Reihe von Anwendungsfällen – um nur einige zu nennen:

  • Bilanzkreis-Management: Echtzeitdaten über Stromverbrauch und -erzeugung erleichtern die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts im Netz. Außerdem ermöglicht die Granularität der Daten den Netzbetreibern, Ungleichgewichte vorherzusehen und proaktiv zu verhindern.
  • Diagnostik: Anomalien in Lastprofilen können in Echtzeit erkannt werden und machen Betreiber auf mögliche Störungen aufmerksam. So können sie auf Störungen reagieren, bevor sie zu größeren Problemen werden.
  • Einblicke für Verbraucher: Die Verbraucher können tiefe Einblicke in ihren Energieverbrauch und ihre Energieerzeugung erhalten. Diese Einblicke können zum Beispiel genutzt werden, um das Einsparpotenzial neuer Investitionen zu bewerten. Angenommen, ein Hausbesitzer hat derzeit eine PV-Anlage, aber keine Batterie. Mit den historischen Produktionsdaten und den Strompreisen kann man die am besten geeignete Batteriekapazität finden und eine ziemlich genaue Vorhersage über die Amortisationszeit der Investition machen.

Autarkie: Maximierung des Eigenverbrauchs

Es hat viele Vorteile, Strom dort zu verbrauchen, wo er erzeugt wird. In erster Linie wird dadurch der Bedarf an Stromübertragung durch das öffentliche Netz reduziert. Mit flexiblen Lasten wie Batterien, Ladestationen für Elektrofahrzeuge (EV) und Wärmepumpen ermöglichen Energiemanagement-Lösungen den Nutzer:innen, überschüssigen Solarstrom optimal zu nutzen und lokal erzeugten Strom zu jeder Tageszeit zu verwenden. Auf diese Weise wird der Verbrauch von lokal erzeugtem Strom maximiert und die Belastung des Netzes (Einspeisung und Abnahme) minimiert. 

Diese Selbstversorgung wird in vielen Ländern durch eine Spanne zwischen den Endkundenpreisen und der Einspeisevergütung begünstigt. In Deutschland beispielsweise zahlen Prosumer rund 50 Cent/kWh, die sie aus dem Netz beziehen, erhalten aber unter Umständen nur 6 Cent/kWh für den Strom, den sie ins Netz einspeisen. 

Überlastschutz: Kapazitätsüberschreitung verhindern

Wenn sie nicht gesteuert werden, ist es ein Leichtes für Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge, die Spitzenlast einzelner Haushalte stark zu erhöhen. Dieser Anstieg der Spitzenlast war jedoch nicht vorhersehbar, als die meisten Wohnhäuser gebaut wurden. Folglich reicht die Netzanschlusskapazität vieler Haushalte nicht aus, um diese zusätzlichen Lasten zu tragen. Greift man also hier nicht ein, um diese Lasten zu steuern, besteht stets die Gefahr, dass Sicherungen überlastet werden. 

Ein HEMS kann vor den beschriebenen Überlastungen einfach schützen, indem es die physikalischen Beschränkungen berücksichtigt und flexible Lasten drosselt, bevor die Kapazität von Sicherungen oder Netzanschlüssen überschritten wird. Die flächendeckende Einführung von HEMS, die einen Überlastschutz bieten, würde zugleich die Notwendigkeit für zeitintensive und kostspielige Netzausbauten verringern. Daher beschleunigen HEMS den Ausbau von Elektromobilität und elektrischen Heizungen und verringern deren Kosten.

Kostenoptimierung mit dynamischen Strompreisen

Time-of-Use-Tarife: Verlagerung von Lasten in Zeiten günstiger Strompreise

Großhandelspreise für Strom schwanken extrem im Laufe des Tages. Auf dem EPEX-Spotmarkt beispielsweise schwankte der niederländische Day-Ahead-Preis am 6. Oktober innerhalb von nur fünf Stunden zwischen minus 8,80 Euro/MWh (14 Uhr) und 294 Euro/MWh (19 Uhr). Folglich können dynamische Stromtarife, die an die Großhandelsmärkte gekoppelt sind, Prosumern erhebliche Anreize bieten, ihren Verbrauch in günstige Stunden zu verlagern. 

Betrachten wir die oben genannten Preise und einen Renault Zoe mit einer 52-kWh-Batterie. Wenn der Zoe während der Spitzenlastzeiten aufgeladen wird, belaufen sich die Großhandelsstromkosten auf (0,29 Euro mal 52) 15,08 Euro. Wenn Besitzer:innen in den Schwachlastzeiten laden, könnten sie sogar für die Entnahme von Strom aus dem Netz bezahlt werden (minus 0,08 Euro mal 52) minus 4,16 Euro – eine Differenz von 19,24 Euro in absoluten Zahlen, eine relative Kostenreduzierung von 127 Prozent.

Dies gilt auch in umgekehrter Richtung. Wenn die Einspeisevergütung an die Großhandelspreise gekoppelt ist, das heißt, sie schwankt im Laufe des Tages, können die Verbraucher:innen ihre Auszahlung maximieren, indem sie ihre Einspeisung zeitlich abstimmen. Allerdings werden nur wenige Menschen bereit sein, den ganzen Tag die Strompreise im Auge zu behalten. Daher wird ein HEMS benötigt, das Preissignale in seine Optimierung einbezieht, um diese Einsparungen zu realisieren.

Peak Shaving: Reduzierung von Spitzenlasten

Großverbraucher wie Fabriken werden bereits für ihre Spitzenlast belastet. Bei dieser Regelung, den so genannten Kapazitätstarifen, erhebt der Netzbetreiber eine Gebühr pro kW der maximalen Last in einem bestimmten Zeitraum. Angenommen, ein gewerbliches Gebäude verbraucht normalerweise 100 kW, aber hin und wieder steigt die Last auf 150 kW. Nach dem Kapazitätstarif berechnet, erhebt der Netzbetreiber in diesem Szenario unabhängig von der üblichen Last von 100 kW eine Gebühr für die, in der Spitzenlastzeit verbrauchten, 150 kW.

Durch immer größerer werdende Lastmengen auch im Privaten, die durch Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen verursacht werden, werden Netzbetreiber vermehrt Anreize auch für Privathaushalte schaffen, ihre Lasten zu glätten.

Um solche Tarife berücksichtigen zu können, muss ein HEMS den Gesamtverbrauch und die flexiblen Lasten kennen und dann entscheiden, ob Lasten verschoben werden können. Diese Methode nennt sich Peak Shaving, also das Abfangen von Lastspitzen, und heißt in der Praxis, dass zum Beispiel das Laden von E-Fahrzeugen unterbrochen wird, bis das Kochen beendet und der Herd wieder ausgeschaltet ist.

Flexibilität vermarkten: Mach deine Anlagen zu Geldanlagen

Wir wiederholen es gerne: Strompreise schwanken im Laufe des Tages... extrem. Diese Schwankungen sind auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen. Ausgeklügelte HEMS können sich dies zunutze machen und ihren Eigentümer:innen Einnahmen aus Systemdienstleistungen und Stromhandel verschaffen:

  • Systemdienstleistungen: Einfach ausgedrückt bietet das HEMS dem Netz Flexibilität. Wenn die Stromnachfrage das Angebot übersteigt, wird Strom eingespeist. Umgekehrt wird die Batterie aufgeladen, wenn zu viel Strom im Netz vorhanden ist. Da Netzbetreiber hohe Summen an Anbieter von Regelenergie bezahlen, lohnt es sich, mittels eines HEMS’ an diesen Einnahmen zu partizipieren – vorausgesetzt, die Regulierung lässt dies zu.
  • Intraday-Handel: Aufgrund seiner Einblicke in die Last- und Produktionsprofile von elektrischen Verbrauchern und dezentralen Energiequellen kann ein HEMS präzise Flexibilitäten prognostizieren. Auf der Grundlage einer solchen Prognose kann Flexibilität gehandelt werden. Wenn diese Flexibilität dann abgerufen wird, muss das HEMS das Abrufsignal in einen tatsächlichen Stromfluss aus dem/ins Netz umsetzen.

In beiden Fällen wird jedoch kein einzelnes System die Größe haben, allein zu handeln. Wahrscheinlicher ist, dass Netzbetreiber eine Vielzahl von HEMS zu virtuellen Kraftwerken (VPP) bündeln, mit deren Flexibilität handeln und die Auszahlung an die HEMS-Eigentümer:innen vornehmen.

Höhere Komplexität. Höherer Nutzen.

Nokia hat die Menschen wirklich verbunden, wie der Slogan “connecting people” besagt. Das Modell 6310 bot die grundlegenden Funktionen eines Telefons – Telefonieren und SMS schreiben. Der große Wert der Konnektivität wurde jedoch erst von Smartphones erschlossen. In ähnlicher Weise ist das Monitoring die Grundlage für jedes HEMS, aber der große Mehrwert liegt in komplexeren Anwendungen wie der Verlagerung von Lasten als Reaktion auf Preissignale, der Reduzierung von Lastspitzen und der Vermarktung ungenutzter Flexibilität.

Um diese anspruchsvollen Dienste anbieten zu können, müssen HEMS mit einer breiten Palette von DERs kompatibel sein, die Komplexität und den Aufwand für den Nutzer:innen reduzieren und flexibel genug sein, um unterschiedliche, sich stetig entwickelnde regionale und nutzerspezifische, Anforderungen zu erfüllen.

Unsere XENON-Plattform bietet alle Werkzeuge für die Entwicklung eines solchen HEMS. Wir sind mit Geräten von mehr als 43 Herstellern kompatibel, unsere mobilen Apps erhalten durchweg 4+ Sterne in den Appstores und unser modularer Ansatz hat es unseren Partnern ermöglicht, Lösungen für verschiedene Kundengruppen in mehr als 10 verschiedenen europäischen Märkten zu entwickeln.

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