Veröffentlicht:
August 18, 2021
Zuletzt aktualisiert:

Sharing is caring - Wie Energiegemeinschaften den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen

Till Sonnen
Manager für Geschäftsentwicklung

Das Konzept könnte nicht einfacher sein: Man hat etwas, das der/ die Nachbar:in braucht. Also verkauft man es ihm/ ihr, und beide sind besser dran. So einfach dieses Konzept ist, so fremd war es bis vor kurzem im Energiesektor. Entweder man verbrauchte seine eigene Energie oder speiste sie ins Netz ein. Sogenannte Energiegemeinschaften könnten die Revolution bringen, die nötig ist, um die gemeinsame Nutzung von Energie als normal zu etablieren.


In der Theorie ist eine Energiegemeinschaft ein Kollektiv von Teilnehmern, die Energie verbrauchen und/ oder erzeugen. In der Praxis bedeutet dies ein Kollektiv von Haushalten und Unternehmen. Wenn ein Mitglied der Gemeinschaft Energie produziert, die seinen eigenen Verbrauch übersteigt, kann diese Energie an andere Mitglieder:innen, die Energie benötigen, verkauft werden. Um Energiegemeinschaften von der Theorie in die Praxis zu bringen, müssen die Vorteile für alle Mitglieder:innen der Gemeinschaft zugänglich gemacht werden.

Deutschland schafft die Einspeisevergütungen ab

Warum ist dies also attraktiv? Weil steigende Kapazitäten schwankender erneuerbarer Energien - eine Grundvoraussetzung für die Dekarbonisierung des Energiesektors - sinnvolle Anreize benötigen. Die Entwicklung des deutschen Marktes ist ein Paradebeispiel dafür. Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) trat erstmals im Jahr 2000 in Kraft und führte das Prinzip des Vorrangs für erneuerbare Energien sowie eine Einspeisevergütung ein.  

Geringerer Anreiz zur Rückspeisung von Energie in das deutsche Netz

Auf der Grundlage dieser und anderer Anreize hat sich der deutsche Solarmarkt kontinuierlich entwickelt. So hat sich der Markt für kleine PV-Anlagen von 2019 bis 2020 etwa verdoppelt. Der Preis pro eingespeister Kilowattstunde ist jedoch von rund 52 Cent (ct/kWh) im Jahr 2006 auf knapp 7 Cent in diesem Jahr gesunken. Dagegen sind die Strompreise im gleichen Zeitraum von 19 Cent auf fast 32 Cent gestiegen. Folglich ist die Rückspeisung überschüssiger Energie in das Netz deutlich unattraktiver geworden.

Betrachtet man die Zusammensetzung der Strompreise in Deutschland, so wird das wirtschaftliche Potenzial der Gemeinschaften noch deutlicher. Fast die Hälfte der 32 Cent, die die Verbraucher pro kWh bezahlen, fließt in die Stromerzeugung (24,1 Prozent) und den Netzbetrieb (24,5 Prozent). Durch den Wegfall eines Großteils dieser Kosten aufgrund der lokalen Erzeugung und der räumlichen Nähe können die Mitglieder:innen der Energiegemeinschaften ihre Strompreise deutlich senken. Gleichzeitig profitieren die Erzeuger und Netzbetreiber von einer geringeren Überlastung des Netzes und damit von niedrigeren Kosten. 

Europa setzt auf eine verstärkte Beteiligung der Verbraucher

In ganz Europa haben die Länder unterschiedliche Wege eingeschlagen, um die Einführung kleiner PV-Anlagen voranzutreiben. Diese Ansätze lassen sich in vier Kategorien einteilen:

  • Nettomessung: Die Zähler werden einfach zurückgesetzt, wenn Energie eingespeist wird; wie in Griechenland, Ungarn, den Niederlanden und Slowenien üblich.
  • Einspeisevergütung: Den Betreibern wird für einen bestimmten Zeitraum ein fester Preis pro kWh garantiert; gängige Praxis in Österreich, Frankreich und Deutschland.
  • Nettoabrechnung: Der ins Netz eingespeiste Strom wird zu den aktuellen Großhandelspreisen vergütet; derzeit angewandt in Italien, Portugal und Spanien.
  • Marktbasiert: Energieeinzelhändler bieten Kauf-/Verkaufsverträge an; dies ist in der Tschechischen Republik, Dänemark, Finnland, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz die Regel.

Da die Preise für Solarsysteme sinken und die Akzeptanz zunimmt, stellen immer mehr Länder ihre Subventionen ein. Die niederländische Regierung zum Beispiel plant, die Nettomessung ab 2023 auslaufen zu lassen. In Italien wird die Nettoabrechnung bis 2025 eingestellt, und in Deutschland wird die Einspeisevergütung, wie bereits erwähnt, kontinuierlich gesenkt. Damit sollen nicht nur die staatlichen Ausgaben gesenkt, sondern auch die aktive Teilnahme von Prosumern am Markt gefördert werden.

EU-Mitgliedsstaaten müssen den rechtlichen Rahmen für Gemeinschaften schaffen

Die EU fördert einen ähnlichen Wandel, um ihr Ziel zu erreichen, nämlich die Verbraucher:innen in den Mittelpunkt der Energiewende zu stellen. Dementsprechend hat die EU Rechtsvorschriften eingeführt, um die Umstellung voranzutreiben und die Verbraucher:innen zu unterstützen. Bei den Gemeinschaften unterscheidet die EU zwischen zwei Gruppen:

Regulierung

  Erneuerbare Energiegemeinschaften
RED 2018/2001/EU
Bürgerenergiegenossenschaften
EMD 2019/944/EU

Ausgleichen

  Physische Gemeinschaft
Häufigkeit ausgeglichen
Virtuelle Gemeinschaft
Portfolio ausgeglichen

Typen

  Kollektiver Selbstverbrauch
Nur privates Netz
Regionale Gemeinschaft
  Gemeinschaftlicher Eigenverbrauch
Öffentliches und privates Netz
Cloud-Gemeinschaft

Im Kern zielen beide darauf ab, Gemeinschaften zu organisieren, um soziale, wirtschaftliche und ökologische Vorteile zu ermöglichen. Diese Vorteile ergeben sich aus den Synergieeffekten der gemeinsamen Energieerzeugung, -verteilung, -nutzung und weiterer Dienstleistungen.

Der Hauptunterschied liegt in der geografischen Begrenzung der Gemeinschaften für erneuerbare Energien. Die einen sind an an einen physischen Standort gebunden (z. B. Microgrids), wohingegen Bürgerenergiegenossenschaften virtuell sein können.

Die Mitgliedstaaten sind nun verpflichtet, diese Richtlinien in nationales Recht umzusetzen und müssen daher den rechtlichen Rahmen für Energiegemeinschaften schaffen.

Die Pilotphase verlassen

Der wirtschaftliche Anreiz ist also vorhanden. Der rechtliche Rahmen ist auf den Weg gebracht. Was fehlt noch? Eine praktikable technische Lösung. Bislang sind die meisten Energiegemeinschaften Pilotprojekte, und die Energiewirtschaft hat sich in der Vergangenheit nicht als Vorreiter bei der Digitalisierung erwiesen. In Anbetracht des enormen Potenzials von Energiegemeinschaften und des gesetzgeberischen Vorstoßes zu ihrer Einführung wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis diese zur gängigen Praxis werden.

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