Veröffentlicht:
29. Januar 2024
Aktualisiert:

Dynamische Strompreisgestaltung

Die Großhandelspreise für Strom schwanken im Laufe der Zeit. Anstatt jedoch diesen Schwankungen ausgesetzt zu sein, zahlen die Verbraucher:innen in der Regel einen festen Tarif. Das macht die Sache einfach, bedeutet aber auch, dass die Verbraucher:innen keinen Anreiz haben, Strom zu nutzen, wenn die Preise niedrig sind (d. h. wenn das Angebot hoch ist). Flexible Stromverbraucher wie Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen machen die Nutzung von Strom zu Zeiten, in denen er billiger ist – wenn also reichlich Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht – für das Gleichgewicht des Gesamtsystems viel wichtiger. Folglich hat die dynamische Strompreisgestaltung in den letzten Jahren bei politischen Entscheidungsträgern und in der Industrie große Aufmerksamkeit erregt.

Technologische Anforderungen

Um zeitvariable Preise in Rechnung stellen zu können, benötigt ein Energieversorger Informationen über den zeitlichen Verlauf der Last eine:r Verbraucher:in. In der Praxis werden diese Daten in der Regel von einem intelligenten Zähler geliefert, der den Verbrauch aufzeichnet und die Informationen an den Energieversorger weiterleitet.

Geschichte

Nacht- und Tagstromtarife gibt es in Deutschland seit den 1960er Jahren. Damals wollten die Kraftwerksbetreiber die Last über den Tag hinweg ausgleichen. Um den Verbrauch in der Nacht zu erhöhen, wurde der Strom mit einem Preisnachlass verkauft, in der Regel zwischen 20 Uhr und 6 Uhr morgens. Um diese Tarife zu nutzen, wurden so genannte „Nachtstromheizungen“ verkauft. Diese Heizkörper heizten in der Nacht mit Strom und heizten tagsüber das Gebäude. Das war damals billiger als das Heizen mit fossilen Brennstoffen wie Gas oder Öl. Technisch gesehen waren die Haushalte mit zwei Zählern ausgestattet: einem für den Nachtstrom und einem für den Tagesstrom.

Arten der dynamischen Strompreisgestaltung

Dynamische Strompreise sind dadurch definiert, dass die Preise im Laufe der Zeit variieren. Die Preisbildung variiert jedoch stark zwischen den verschiedenen Arten.

Statische Nutzungszeittarife

Arten der dynamischen Strompreisgestaltung

Bei den Zeittarifen variieren die Preise je nach Tageszeit, Woche oder Jahreszeit. Die Schwankungen sind im Voraus bekannt und folgen einem bestimmten Zeitplan (z. B. ein Nacht- und ein Tagespreis oder ein Wochentags- und ein Wochenendpreis).

Kritische Spitzentarife

Kritische Spitzentarife

Beim Critical-Peak-Pricing sind die Preise meist statisch, können aber in Zeiten extremer Spitzenlast erhöht werden, wobei ein fester Aufschlag erhoben wird. Die Verbraucher werden in der Regel im Voraus informiert, damit sie ihre Last außerhalb dieser Zeiten verlagern können.

Variable Spitzenlasttarife

eine dynamische Strompreisgestaltung sind variable Spitzentarife

Ähnlich wie bei den kritischen Spitzenpreisen werden die Spitzenzeiten im Voraus bekannt gegeben. Der Aufschlag variiert jedoch je nach den aktuellen Großhandelspreisen.

Tarife in Echtzeit

Echtzeittarife

Bei der Echtzeitpreisbildung spiegeln die Preise die aktuellen Großhandelspreise wider. Normalerweise wird der Day-Ahead-Markt für die Preisbildung genutzt. Daher sind die Preise nur am Vortag bekannt. 

Abgesicherte Tarife

Hedge-Tarife zielen darauf ab, die Anreize von Echtzeittarifen zu erhalten und gleichzeitig die Abhängigkeit der Verbraucher von Großhandelspreisschwankungen zu begrenzen. Daher wird den Verbrauchern für jeden Zeitraum eine bestimmte Menge zugewiesen. Liegt der Verbrauch unter der zugewiesenen Menge, wird den Verbrauchern der aktuelle Großhandelspreis erstattet. Übersteigt der Verbrauch die zugewiesene Menge, werden den Verbrauchern die aktuellen Großhandelspreise in Rechnung gestellt.

Durch diesen Mechanismus sind die Verbraucher nicht in vollem Umfang den Preissteigerungen auf dem Großhandelsmarkt ausgesetzt und haben immer noch einen Anreiz, Lasten in Zeiten niedriger Preise zu verlagern.

Auswirkungen

Mit flexiblen Lasten können die Verbraucher bei dynamischen Tarifen erhebliche Einsparungen erzielen. Zur Veranschaulichung: Die durchschnittliche Pendlerdistanz in Deutschland beträgt 16,9 km – eine Hin- und Rückfahrt ist also 33,8 km lang. Wenn man davon ausgeht, dass ein Elektroauto 20 kWh/100 km verbraucht, verbraucht jede Hin- und Rückfahrt 6,76 kWh an Strom. Würde man diesen Strom direkt bei der Rückkehr von der Arbeit um 18:30 Uhr aufladen, würden sich die Kosten auf 2,48 Euro belaufen. Würde er vor der nächsten Abfahrt um 8 Uhr morgens zum günstigsten Preis (26,7 Cent/kWh) aufgeladen, würden die Kosten nur 1,80 Euro betragen – eine Kostenreduzierung von 68 Cent oder 27 Prozent. Angenommen, der Verbraucher pendelt 40 Wochen im Jahr fünfmal pro Woche zur Arbeit. Dies ergibt insgesamt 200 Pendelfahrten pro Jahr. Unter der Annahme, dass die Abweichung über das ganze Jahr hinweg stabil ist, würde der Verbraucher 136 Euro/Jahr sparen, wenn er das Aufladen des Elektroautos auf Zeiten mit niedrigen Preisen verlegt.

Anwendung von Kapazitätstarifen

Europäische Union

Mit der Richtlinie 2019/994 beauftragt die Europäische Union die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass alle Verbraucher am Strommarkt teilnehmen können, „insbesondere indem sie ihren Verbrauch entsprechend den Marktsignalen anpassen.“ Da es sich jedoch um eine Richtlinie handelt, ist sie erst nach ihrer Umsetzung in nationales Recht anwendbar.

Deutschland

Ab dem 1. Januar 2023 sind Energieversorger mit mehr als 100.000 Kunden verpflichtet, dynamische Tarife anzubieten. Das betrifft rund 70 Prozent aller Haushalte in Deutschland. Da bis Ende 2022 erst rund 500.000 intelligente Zähler installiert wurden, erfüllt nur ein kleiner Teil der 41 Millionen Haushalte die technischen Voraussetzungen für dynamische Tarife.