Veröffentlicht:
21. Juni 2023
Zuletzt aktualisiert:
27. Juni 2023

Die Todesspirale der Versorgungsunternehmen

Unternehmen, die sich ausschließlich auf fossile Brennstoffe fokussieren, brauchen eine drastische Neuausrichtung. Andernfalls geraten sie in die Todesspirale der Versorgungsunternehmen. Um zu überleben, müssen sie auf nachhaltige und innovative Geschäftsmodelle umsteigen. 

Was ist die Todesspirale der Versorgungsunternehmen?

Todesspirale… klingt angsteinflößend, oder? Nun, wenn sich das Geschäftsmodell der Versorgungsunternehmen nicht ändert, kann das katastrophale Folgen für diese Unternehmen haben. Um die Spirale zu verstehen, müssen wir zunächst das eigentliche Problem erkennen. Die weltweiten CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen haben im Jahr 2022 einen Rekordwert von 36,6 Milliarden Tonnenerreicht. Die Hauptverantwortlichen für diese sprunghaft ansteigenden Zahlen: Öl, mit einem Beitrag von 40 Prozent; Kohle, mit 32 Prozent; und Gas, mit einem Anteil von 21 Prozent. Steigen die Emissionen in diesem Tempo weiter an, wird das verbleibende Kohlenstoff-Budget zur Eindämmung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius bereits in neun Jahren überschritten sein. Damit das nicht passiert, müssen die Unternehmen für fossile Brennstoffe ihre Geschäftsmodelle drastisch und grundlegend ändern. Aber was hat das mit einer Todesspirale zu tun?

Die Todesspirale der Energieversorger beschreibt ein Worst-Case-Szenario, in dem das traditionelle Geschäftsmodell von Energieversorgern nicht mehr profitabel ist. Das passiert, weil sich die Energieverbraucher:innen immer stärker an ihrem Energieverbrauch und der eigenen -erzeugung beteiligen, um die Energiepreise zu senken sowie eine dezentrale und nachhaltige Energieerzeugung zu fördern. Wenn die traditionellen Energieversorger ihr Angebot nicht an den Anstieg bei den Prosument:innen anpassen, werden sie schließlich Kund:innen verlieren. Dies wiederum würde die Unternehmen dazu zwingen, Preise zu erhöhen, wodurch ihr Angebot weniger attraktiv wird (dafür aber die Solarenergie auf dem Dach reizvoller) und somit setzt sich die ständig verstärkende Todesspirale in Gang.

Warum ist die Todesspirale der Versorgungsunternehmen jetzt von Bedeutung?

Die Idee der Todesspirale der Versorgungsunternehmen steht schon seit Langem im Raum, aber sie gewinnt aktuell immer mehr an Bedeutung. Es ist dringend notwendig, die Energieversorgung zu dekarbonisieren, um das – zugegeben – ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Doch die Energiewirtschaft passt sich nur sehr langsam an diese Veränderungen an und Unternehmen, die ihren Schwerpunkt nicht verlagern, werden bald ins Hintertreffen geraten. 

Es besteht jedoch noch Hoffnung, aus dieser Spirale herauszukommen. Einem Bericht der International Energy Agency (IEA) zufolge, machen die Emissionen aus dem Öl- und Gasgeschäft fast 15 Prozent der weltweiten energiebezogenen Emissionen aus. Dies umfasst den Prozess der Ölförderung aus dem Boden, die Aufbereitung für die Nutzung und die Lieferung an die Verbraucher:innen. Diese Zahl – 5,1 Milliarden Tonnen Treibhausgasemissionen – ist mehr als doppelt so hoch wie die kombinierten Emissionen der Vereinigten Staaten und der gesamten Europäischen Union im Jahr 2022. Der Bericht führt weiter aus, dass diese Emissionen nur durch drastische Maßnahmen in den nächsten sieben Jahren um 60 Prozent gesenkt werden können. Die Halbierung der Emissionsintensität von Öl- und Gas-Förderaktivitäten weltweit bis 2030 ist kostspielig und erfordert Vorabinvestitionen in Höhe von rund 600 Milliarden US-Dollar. Angesichts der hohen Energiepreise, die es der weltweiten Öl- und Gasindustrie ermöglichten, ihren Gewinn von durchschnittlich 1,5 Billionen US-Dollar auf 4 Billionen US-Dollar im Jahr 2022 zu steigern, können wir das jedoch einfach als Reinvestition des Rekordgewinns in zukunftssichere Einnahmeströme betrachtet.

Lösungsansätze für die Todesspirale

Die von vielen Gasversorgern favorisierte Lösung für den Übergang von fossilen Brennstoffen zu nachhaltigen Energieträgern ist Wasserstoff. Bei einem Großteil des heute produzierten Wasserstoffs handelt es sich jedoch um so genannten grauen Wasserstoff, der immer noch aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird und daher weiterhin zu Treibhausgasemissionen beiträgt. Der Übergang zu einer Wasserstoff basierten Infrastruktur erfordert zudem enorme Investitionen und erhebliche Änderungen an den bestehenden Netzen. Die Australian Pipelines & Gas Association (APGA) drängt auf eine Wasserstoff-Mischung, bei der Wasserstoff mit den bestehenden Erdgasleitungen gemischt wird. Dies ist jedoch mit vielen technischen Herausforderungen verbunden und erfordert ein sorgfältiges Management. 

Wasserstoff wird zwar eine wichtige Rolle in zukünftigen Energiesystemen spielen, doch die Elektrifizierung ermöglicht eine Dekarbonisierung zu geringeren Kosten und innerhalb kürzerer Zeit – wenn sie mit der richtigen Technologie kombiniert wird. Die Verbraucher:innen sind bereits auf den Zug aufgesprungen und kaufen immer mehr PV-Aufdachanlagen, E-Autos, Batterien und Wärmepumpen. Tatsächlich hat SolarPower Europe herausgefunden, dass Europa Ende 2022 eine Million solarbetriebene Haushalte erreicht hat, was einer 20-fachen Steigerung gegenüber 2016 entspricht. Bis zum Ende des Jahrzehnts muss diese Zahl jedoch um das 22-fache steigen – eine große Herausforderung, aber auch ein riesiges Umsatzpotenzial für Unternehmen.

Solarversorgte Häuser in Europa mit PV- und Batteriesystemen

Der Schlüsselfaktor, der erfolgreiche Energieunternehmen in Zukunft auszeichnen wird, ist die Fähigkeit, den Endverbraucher:innen Transparenz und Kontrolle über ihre Energieerzeugung und ihren Energieverbrauch zu bieten. Vorbei sind die Zeiten, in denen passive Nutzer einmal im Jahr ihre Stromrechnung einsehen – Prosumenten wollen intelligente Lösungen nutzen, um ihre Kosten und Emissionen aktiv zu minimieren, ohne auf Komfort verzichten zu müssen, zum Beispiel dass ihr E-Auto immer dann aufgeladen ist, wenn sie es brauchen und ihre Wohnung auf eine angenehme Temperatur geheizt ist. Erneuerbare Energiesysteme funktionieren nur dann, wenn wir die Flexibilität auf der Nachfrageseite nutzen und die Nachfrage an das schwankende Angebot anpassen.

Die Todesspirale in der Praxis

Unternehmen, die sich dem Druch durch Innovation stellen, werden die Perle der Zukunft hervorbringen

Weißt Du, wie Perlen entstehen? Unter enormem Druck. Diese Analogie können wir auch auf unser Todesspiralen-Dilemma anwenden. Während einige Unternehmen Maßnahmen ergreifen und auf innovative und nachhaltige Geschäftsideen umsteigen, schließen andere ihre metaphorische Austernschale und verpassen die Chance, eigene Perlen zu schaffen. 

Werfen wir einen Blick auf einige Beispiele von Unternehmen aus der Praxis, die ihren Fokus neu ausgerichtet haben und solchen, die dies nicht getan haben:

Viessmann ist ein bekannter deutscher Hersteller von Heiz- und Kühlsystemen. Jahrzehntelang wurde dort auf gas- und ölbetriebene Heizungsanlagen gesetzt. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich das Unternehmen auf emissionsarme Technologien umgestellt. Zunächst wurden hybride Heizsysteme eingeführt, die fossilbefeuerte Heizungen mit Wärmepumpen, thermischen Solarkollektoren und Photovoltaikanlagen kombinieren.

Seit 1990 hat Viessmann seine CO2-Emissionen um 90 Prozent gesenkt, indem das Unternehmen auf Wärmepumpen und saubere Heiz- und Kühllösungen setzt. Im Jahr 2022 kündigte Viessman an, in den nächsten drei Jahren eine Milliarde Euro in Forschung und Entwicklung sowie in Produktionskapazitäten zu investieren. Angesichts der jüngsten klima- und geopolitischen Entwicklungen betonte das Unternehmen, dass es schnell handeln müsse, um den Klimawandel zu bekämpfen und die künftige Energieerzeugung auf saubere Weise zu nutzen. Im Jahr 2021 verzeichnete das Unternehmen einen Zuwachs von über 41 Prozent bei den Wärmepumpen und einen Umsatzanstieg von 21 Prozent. Viessmann ist in der Lage, sich an die sich verändernde Marktnachfrage anzupassen und wächst stetig. 

Ein weiteres gutes Beispiel ist der in London ansässige Ölkonzern BP, der angekündigt hat, seine Öl- und Gasproduktion um 40 Prozent zu reduzieren und gleichzeitig Milliarden in nachhaltige Energietechnologien zu investieren. Das Unternehmen will seinen Schwerpunkt auf saubere Energiebereiche wie Bioenergie, Wasserstoff sowie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung verlagern. Angesichts des erwarteten Rückgangs der fossilen Brennstoffe um 75 Prozent in den nächsten 30 Jahren will BP seine Investitionen in kohlenstoffarme Technologien bereits bis 2030 auf 5 Milliarden US-Dollar erhöhen. Auf diese Weise will das Unternehmen das Ziel erreichen, bis 2050 keine Emissionen mehr zu verursachen. 

Aber leider hat nicht jedes Unternehmen den Umstieg auf erneuerbare Energielösungen gemacht. Der geringere Energieverbrauch während der Pandemie, die Unterbrechung der russischen Gaslieferungen, die rekordhohen Gas- und Strompreise während der Energiekrise und der Rückgang der Kohle- und Ölnutzung haben viele Unternehmen in eine Todesspirale geführt.

Insgesamt 19 Unternehmen in den USA meldeten im Jahr 2020 Konkurs an, mit einer Gesamtverschuldung von über 13 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2021 brachen im Vereinigrten Königreich 28 Energieversorger zusammen, wodurch insgesamt 4,2 Millionen Energiekund:innen verdrängt wurden. Das größte Unternehmen, was Konkurs ging, war Bulb mit 2,4 Millionen Kund:innen. Die Alumni des Unternehmens haben inzwischen neun Start-ups gegründet, die aus der Asche auferstehen und sich alle auf zukunftsorientierte Lösungen für saubere Energie konzentrieren - vor allem auf dezentrale Energieressourcen und Qualitätssoftware.

Die Industrie für fossile Brennstoffe stand in den letzten elf Jahren vor großen Herausforderungen, wie dem Verfall der Ölpreise, dem Überangebot und einer anhaltenden Rezession. Im Grunde genommen müssen Unternehmen aussteigen, bevor es zu spät ist.

Wie man aus der Todesspirale rauskommen kann oder sie gar vermeidet

Der effektivste Weg, aus einem Loch zu klettern, ist gar nicht erst hinein fallen ;). Das geht am besten, indem man sich auf boomende Branchen konzentriert.

Der Markt für E-Autos wird im Jahr 2023 voraussichtlich über 52 Milliarden US-Dollar erreichen, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 14,39 Prozent. In Deutschland stieg der Ausbau der Photovoltaikerzeugung im Jahr 2022 auf 28 Prozent, wobei im vergangenen Jahr 7,2 Gigawatt (GW) an neuen Anlagen ans Netz gingen.  

Es wird nicht ausreichen, weiterhin auf fossile Brennstoffe zu setzen und sich nur halbherzig für saubere Technologien zu engagieren. Klimaziele und geopolitische Entwicklungen zwingen die Unternehmen, ihren Schwerpunkt auf Prosumer-Technologien zu verlagern. Doch erfolgreicher werden die Unternehmen sein, die den Weg vorgeben und andere mitziehen.

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