Veröffentlicht:
19. April 2021
Zuletzt aktualisiert:

Wieso sich phasengenaues Lastmanagement lohnt

Baptiste Feron
Head of Energy Management

Die stetig wachsende Zahl an EVs setzt das Stromnetz immer mehr unter Druck und treibt die Nachfrage nach intelligenten Ladelösungen. Eines wird jedoch trotz des großen Potenzials oft übersehen: die phasengenaue Optimierung.

Netze führen Strom auf drei Phasen

Kontinentale Stromnetze führen Strom auf drei Phasen. Das bedeutet - ohne zu sehr ins Detail zu gehen - dass drei Leiter einen Wechselstrom mit der gleichen Frequenz und Spannungsamplitude führen. Jeder einzelne Leiter (einer pro Phase) ist durch eine eigene Sicherung geschützt, die bei Überlast ausgelöst wird. In der Praxis muss eine Lastmanagementlösung jeden dieser Leiter schützen, indem sie das Laden der EVs auf den einzelnen Phasen exakt steuert. Eine Visualisierung der Phasen (siehe unten) sieht nicht nur hübsch aus, sondern hilft auch beim Verständnis.

Illustration: Amplitude und Frequenz von drei Phasen

Höhere Ladegeschwindigkeit dank phasengenauer Steuerung  

Einige EVs nutzen nur eine (meist Plug-in-Hybride oder EVs mit geringer Reichweite) oder zwei Phasen zum Laden. Wenn also die Auslastung der einzelnen Phasen nicht bekannt ist, ist das Lastmanagement auf Annahmen angewiesen. Und um Überlasten zu vermeiden, muss das Worst-Case-Szenario angenommen werden. Das lässt sich am besten an einem praktischen Beispiel verdeutlichen:

Setup: NAP mit einer Kapazität von 32A pro Phase und drei Ladepunkte mit einer Kapazität von 16A pro Phase

Wir haben ein Setup mit drei Ladestationen, die jeweils mit maximal 16A pro Phase laden können, sowie einen Netzanschlusspunkt (NAP) mit einer maximalen Kapazität von 32A pro Phase.  

Ohne phasengenaue Steuerung sind wir auf Annahmen angewiesen

Ohne spezifische Phasenmessungen müssen Annahmen getroffen werden, um Überlasten zu vermeiden. In der Praxis muss man zum Schutz der Sicherung den ungünstigsten Fall annehmen, d.h. alle EVs laden auf ein und derselben Phase. Diese Annahme schließt zwar Überlasten aus, kann aber auch zu reduzierten Ladegeschwindigkeiten führen, wie das folgende Szenario zeigt.


Szenario 1: Drei einphasige EVs laden (unbekannte Phasenauslastung)

Betrachten wir drei einphasige EVs, die jeweils mit maximal 16A laden können. Ohne Messung der einzelnen Phasen sind die Ladephasen der EVs unbekannt. Daher muss man - um Überlasten zu vermeiden - annehmen, dass alle drei EVs auf derselben Phase laden. Somit ist die Gesamtlast auf die Kapazität einer einzelnen Phase am NAP (32A) begrenzt und die Last pro EV ist entsprechend auf ein Drittel von 32A gedeckelt. Der ausgegraute Bereich stellt die reduzierte Ladekapazität dar.

Mit phasengenauer Steuerung kann die volle Leistung genutzt werden

In Szenario 1 konnten wir zeigen, dass die Annahme des Worst Case dazu führen kann, dass EVs nicht mit ihrer maximalen Leistung laden können.


Szenario 2: Drei einphasige EVs laden (Phasenauslastung bekannt)

Betrachten wir das gleiche Szenario, aber dieses Mal sind die Ladephasen der EVs bekannt. Wenn die EVs – wie in Szenario 1 angenommen – auf der gleichen Phase laden, ist es nicht von Vorteil, die Phasen zu kennen. Wenn die EVs jedoch auf verschiedenen Phasen laden (Szenario 2), können sie mit ihrem jeweiligen Maximum geladen werden. Das bedeutet, dass sich die Gesamtladeleistung von 32A (Szenario 1) auf 48A (Szenario 2) erhöht – eine Steigerung von 50 Prozent.

Worin besteht also die Herausforderung?

Phasengenaues Lastmanagement ist nicht so einfach. Nicht alle Ladesäulen bieten phasengenaue Messungen und somit ist oft ein zusätzlicher Zähler pro Ladepunkt erforderlich. Doch die phasengenaue Messung ist nur eine Voraussetzung und so gibt es darüber hinaus weitere technische Herausforderungen.

  • Zuordnung der Phasen: Die Phasenmessung des NAP entspricht nicht immer den Messungen der Ladestation, so kann bspw. Phase 1 am NAP physisch mit Phase 2 oder 3 am Ladepunkt verbunden sein. Und die Erfahrung zeigt, dass dies in der Tat oft der Fall ist und Phasen falsch zugewiesen werden, was zu einer suboptimalen Phasennutzung führt. Daher ist eine zusätzliche Validierung und eine eventuelle Neuzuordnung erforderlich, um die Phasen korrekt zuzuordnen.
  • Charakterisierung des EVs: Weder EVs noch die Ladestationen kommunizieren die tatsächliche Anzahl der Ladephasen (ein-, zwei- oder dreiphasig). Diese Information, die für die Optimierung und Absicherung entscheidend ist, muss aus den Phasenmessungen abgeleitet werden. Um dies zu tun, wird bei jedem neuen EV angenommen, dass es auf drei Phasen lädt und es erhält für eine kurze Zeit eine höhere Ladepriorität. So lädt das Fahrzeug ohne Einschränkungen und zeigt so seine Ladeeigenschaften.
  • Umgang mit unerwartetem Verhalten: Die Erfahrung zeigt auch, dass sich EVs nicht immer an das „Standard“-Verhalten halten. So reduzieren EVs manchmal abrupt und ohne ersichtlichen Grund die Ladeleistung. Außerdem verbrauchen einige EVs bis zu 30 Prozent Blindleistung. Um performantes Laden zu gewährleisten, muss das Lastmanagement dieses Verhalten erkennen und darauf reagieren können.

Und dann gibt es da auch noch Regulatorik

VDE-AR-N 4100 mag wie der Name von Elon Musks nächstem Kind klingen, ist aber in Wirklichkeit eine Norm, die die maximal zulässige Phasenschieflast regelt. Dieser Grenzwert ist auf 4,6 kVA festgelegt und fordert von allen Betreibern von Ladeeinrichtungen die Einhaltung eines Gleichgewichts zwischen den Phasen. Ein phasengenaues Lastmanagement sorgt für die Einhaltung dieser Vorschrift.

Phasen kennen. Balance halten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die phasengenaue Messung der Lasten die Auslastung der verfügbaren Kapazität deutlich verbessern und somit Ladevorgänge ohne Änderungen an der Infrastruktur beschleunigen kann. Des Weiteren stellt das phasengenaue Steuern sicher, dass die maximale Phasenschieflast eingehalten wird. So lädt man phasengenau also nicht nur schneller, sondern auch regelkonform.  

Ein praktischer Tipp: Einphasige E-Fahrzeuge laden in der Regel auf der ersten Phase der Ladestation. Daher kann es während der Installation von Vorteil sein, die Phasen zwischen den Ladestationen und dem GCP zu wechseln, um die Ladegeschwindigkeit zu maximieren – vorausgesetzt, die Lastmanagementlösung unterstützt die Phasenoptimierung und kann die Phasen korrekt zuordnen. Dies kann den Ladevorgang je nach Szenario um mehr als 50 Prozent beschleunigen.

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Ladereport 2022
In unserem zweiten Bericht über die öffentliche Ladeinfrastruktur in Deutschland untersuchen wir, wie sich das Laden von EVs in den letzten Jahren entwickelt hat. Dazu verwenden wir Daten von mehr als 2.400 Ladestationsbetreibern.
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