Veröffentlicht:
17. August 2022
Zuletzt aktualisiert:

Warum Energieflexibilität heute nur von Großanlagen erbracht wird

Willi Appler
Regulatory Affairs

Die Haushaltsstrompreise steigen und steigen und immer mehr Endkund:innen investieren in PV-Anlagen für die Eigenversorgung. Damit werden in den kommenden Monaten und Jahren gigawattweise Photovoltaik und Batteriekapazitäten installiert. Einen Beitrag für das Stromsystem werden diese Assets aber sehr wahrscheinlich nie leisten, da ihre Teilnahme an Großhandels- und Systemdienstleistungsmärkten regulatorisch blockiert ist.

Strom wird erstmal noch teurer werden

Experten gehen davon aus, dass die Endkundenpreise auf weit über 60 Cent/kWh steigen werden. Diese Schätzungen sind wahrscheinlich konservativ, da sie noch nicht die massiven Kostensteigerungen bei den Netzentgelten aufgrund teurerer Systemdienstleistungen berücksichtigen. Auch die Kosten für Ausgleichsenergie und Redispatch explodieren aufgrund der gestiegenen Erzeugungs- und Opportunitätskosten. Diese Leistungen werden u.a. noch von Gaskraftwerken erbracht.

Abseits von Eigenverbrauchsoptimierung gibt es wenig Spielraum 

Wer kann, investiert also in eine PV-Anlage, um seinen eigenen Strombedarf zu decken. Unklar ist, wie viele Installationen Hersteller und Installateure in den kommenden Monaten bewältigen können, aber die Schätzungen gehen ins Sechsstellige. Und ein Großteil der Installationen erfolgt direkt mit dazugehöriger Batterie. 

Damit entsteht dezentral ein gigantischer Energieflexibilitäts-Pool. Denn die Haushaltsbatterien werden naturgemäß an vielen Tagen des Jahres nicht durchgehend für die Eigenverbrauchsoptimierung genutzt. Man könnte sie also häufig für Regelleistung nutzen oder ihre Flexibilität an Intraday Märkten zur Verfügung stellen und damit den Bedarf an konventionellen Kraftwerken noch stärker reduzieren sowie die Netzentgelte entlasten.

Energieflexibilität bleibt ungenutzt

Doch genau das lässt sich aktuell wirtschaftlich nicht darstellen. Es fehlt an Smart Metern und passenden Messkonzepten, an Bürokratieabbau bei den VNB und an einem pragmatischen Umgang mit kleinen Anlagen durch alle Akteure. Wer mit seiner Solaranlage und Batterie am Markt teilnehmen will, hat einige Hürden zu überwinden.

Regulatorische Hürden verhindern, dass kleine Anlagen von der Energieflexibilität profitieren

Präqualifizierung: Gemacht für Großanlagen 

Die Präqualifizierungsbedingungen der deutschen ÜNB sind bisher nicht auf kleine Assets ausgelegt. Zwar gibt es die Möglichkeit, einen Anlagen-Pool zu präqualifizieren. Jedoch gilt dies nur, solange keine neuen Assets aufgenommen oder bestehende aus dem Pool ausscheiden. In der Realität muss die Präqualifizierung damit konstant immer wieder erfolgen, selbst wenn die Assets und das lokale Setup bei den Endkund:innen immer baugleich sind – ein unnötiger bürokratischer Aufwand. 

Direktvermarktung: Bürokratie frisst Mehrwert

Die verpflichtende Direktvermarktung für Anlagen, die Regelleistung erbringen, ist grundsätzlich sinnvoll, um Ausgleichsenergie zu vermeiden. In der Realität aber frisst die Bürokratie bei den VNB die Erlöse durch die Vermarktung fast vollständig auf. Alleine die Anmeldung zur Direktvermarktung beim VNB führt zu hohem manuellen Aufwand, da jeder VNB eigene Anforderungen hat und keine einheitlichen Kommunikationskanäle existieren. Damit lassen sich diese Prozesse nicht automatisieren oder digitalisieren. Die vom Gesetzgeber geplante einheitliche Plattform für die Anmeldeprozesse bei den VNB ist daher ein richtiger Schritt. Aber selbst wenn sie pünktlich fertig werden sollte (anders als bspw. Redispatch 2.0), kommt sie mit 2025 viel zu spät.

Smart Meter und Messkonzepte: Es fehlt an der Infrastruktur 

Außerdem muss für die Direktvermarktung und die Erbringung der Flexibilität natürlich eine geeignete Messung erfolgen können. Der Smart Meter Rollout lässt aber noch immer auf sich warten. Und auch ist es mit einem Zähler alleine nicht getan. Für die Befreiung der gespeicherten Energie muss nach dem neuen Energie-Finanzierungsgesetz der aktuellen Bundesregierung eine zweite Messung am Speicher erfolgen. Dass in den meisten Fällen Hybrid-Wechselrichter verbaut werden und damit die Messung vor der Batterie in Gleichstrom erfolgen muss, verteuert das Messkonzept deutlich. Auch akzeptieren die meisten VNB solche Messkonzepte nicht, da sie diese schlicht nicht abrechnen können. Bis zum Osterpaket war daher in solchen Fällen zu Recht ein Schätzen der Energiemengen erlaubt. Es ist nicht erklärbar, warum nun auch für Kleinstanlagen Messungen hierfür vorgeschrieben wurden.

Kleinanlagen können mehr – man muss sie nur lassen

In Summe wird daraus eine unnötige regulatorische Markteintrittshürde für kleine Flexibilitäten. Die Folge sind Mehrerlöse für die bisher präqualifizierten Großanlagen, gestiegene Kosten für die Netznutzer, und auch weiterhin hohe Mindesterzeugung durch konventionelle Kraftwerke. Kleinanlagen könnten einen deutlich größeren Beitrag zur Energiewende leisten – aber dafür braucht es einen entschlossenen Gesetzgeber.

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